Nickerchen: Warum ein Powernap gut für unsere Gesundheit ist
Autor: Lars Reimann Datum: Nov 24, 2022
Wahrscheinlich habt Ihr es auch schon erlebt: Um die Mittagszeit kommt die Müdigkeit. Schnell folgt der Griff zum Kaffee oder ein kurzer Gang vor die Haustür. Trotzen lässt sich der Tagesermüdung so allerdings nicht, denn sie gehört zum natürlichen biologischen Programm des Menschen. Wenn plötzlich die Puste ausgeht, hilft statt Kaffee und Co. ein Blitzschlaf wieder auf die Beine. Das Nickerchen kann Eure Produktivität für den Nachmittag retten – wenn es nicht zu lang ist.
Unter die Lupe genommen - Das Nickerchen medizinisch erklärt
Dass ein Nickerchen positive Effekte hat, ist in zahlreichen wissenschaftlichen Studien belegt worden. Und dennoch ist Schlaf in unserer modernen Leistungsgesellschaft eher negativ konnotiert. Gar als fleißig gilt, wer wenig schläft. Das spiegelt auch eine Umfrage der „Stiftung für Zukunftsfragen“, einer Initiative des Unternehmens „British American Tobacco“, wider. Unter 2000 Personen, die für den „Freizeitmonitor 2020“ befragt wurden, gaben nur 23 Prozent der jungen Erwachsenen an, mindestens einmal wöchentlich ein Nickerchen zu machen. Unter den Jungsenioren im Alter zwischen 50 und 64 Jahren waren es immerhin 31 Prozent. Erst bei den Ruheständlern (65+) nimmt der Leistungsdruck ab und 38 Prozent halten tagsüber ein kurzes Schläfchen.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt aber ganz klar, dass sich die Menschen in Deutschland für die klassische Erholung immer weniger Zeit nehmen. 1975 zählte das Nickerchen laut „Freizeitmonitor“ zu den Top 10 der beliebtesten Freizeitaktivitäten. Im Jahr 2011 legten nur noch 35 Prozent der Gesamtbevölkerung eine kleine Auszeit am Mittag ein. 2015 war die Zahl schon auf 29 Prozent gesunken. Im Pandemiejahr 2020 gönnt sich gerade knapp ein Viertel (26 Prozent) der Gesamtbevölkerung den Mittagsschlaf.
Dabei entfalten sich beim Nickerchen schon nach wenigen Minuten Schlaf enorme Effekte:
- Die Aufmerksamkeit steigt.
- Die Konzentrationsfähigkeit nimmt zu.
- Das Kurzzeitgedächtnis verbessert sich.
- Die Leistungsfähigkeit wächst. Die Laune steigt. Der Appetit reguliert sich.
Wie die Gedächtnisleistung vom Mittagsschlaf beeinflusst wird, haben Forscher der Universität des Saarlandes untersucht und nachgewiesen, dass es positive Effekte durch den Kurzschlaf gibt (veröffentlicht im Magazin „Neurobiology of Learning and Memory“, 2015). Kollegen von der Universität in Düsseldorf wollten wissen, wie schnell sich der Effekt einstellt und konnten eine deutliche Verbesserung der Gedächtnisleistung schon nach sechs Minuten Kurzschlaf feststellen.
Hinweis: Als Ersatz für mangelnden Nachtschlaf ist das Nickerchen übrigens ungeeignet. Dafür ist die Schlafdauer zu kurz und die sich vollziehenden biologischen Prozesse zu unterschiedlich. Nur beim mehrstündigen Nachtschlaf mit Tiefschlafphasen können die lebensnotwendigen regenerativen Prozesse des menschlichen Organismus ablaufen.
Durchpowern: Welche Folgen drohen, wenn wir übermüdet sind?
Wer das Mittagstief spürt und sich entscheidet, dagegen anzukämpfen, tut sich nichts Gutes. Denn das Phänomen ist im biologischen Programm des Menschen kodiert, hat mit nächtlichem Schlafmangel nichts zu tun und lässt sich nicht durch Kaffee, Energy-Drinks oder Bewegung nachhaltig überlisten. Fühlt man sich mittags müde, sinkt schnell die Laune. Denn ohne Kurzschlaf fällt die Konzentration des stimmungsaufhellenden Hormons Serotonin im Blut. Zusätzlich konnten Wissenschaftler der Universität von Kalifornien (Berkeley, USA) belegen, dass das Gehirn beim Schlafen für positive Gefühle sensibilisiert wird und negative Emotionen abbaut. Ob daheim oder auf der Arbeit, für die Mitmenschen kann ein müder Zeitgenosse deshalb richtig anstrengend werden.Auch der Appetit wird von dem mittäglichen Schlafbedürfnis tangiert. Müde Menschen verspüren größeres Verlangen nach fettigen und süßen Speisen. Geht man diesem Verlangen nach, fühlt man sich nachmittags umso antriebsloser. Langfristig steigt das Körpergewicht.
Ähnlich negativ wirkt sich die Mittagsmüdigkeit auf die Produktivität und Leistungsfähigkeit aus. Die Aufmerksamkeit und Konzentration lassen nach, das Reaktionsvermögen und die Gedächtnisleistung schwinden und die Urteilskraft nimmt ab. Flüchtigkeitsfehler schleichen sich ein. Die Arbeit stockt und jede Tätigkeit zieht sich.
Außerdem führt das ständige Durchpowern zu Erschöpfungszuständen. Zum Wochenende ist die Ermüdung so groß, dass die Energie nur noch zum Faulenzen auf der Couch langt. Laut „Freizeitmonitor“ hat das Nichtstun zwischen 2015 und 2020 um satte 20 Prozentpunkte zugenommen. 2015 zählte das Chillen bei 40 Prozent der Befragten zu den typischen wöchentlichen Aktivitäten.
2020 sind es bereits 60 Prozent. Wenn sich bloß mehr Menschen ein Nickerchen zwischendurch gönnen würden.
Tipps, um das perfekte Nickerchen in den Alltag zu integrieren
Daheim sind Couch oder Sessel perfekt für ein Nickerchen geeignet. Aber auch auf der Arbeit ist der Kurzschlaf durchführbar. Einfach den Bürostuhl zurücklehnen, den Kopf zur Seite drehen und die Füße hochlegen. Bietet der Stuhl dem Kopf keinen Halt, ist es besser das Haupt auf den Schreibtisch zu legen. Die Arme können als polsternde Unterlage dienen.
Legt das Nickerchen auf die Zeit zwischen 12 und 15 Uhr, das ist optimal für den Biorhythmus. Laut einer Untersuchung bevorzugen die meisten Menschen das Zeitfenster zwischen 13 und 14 Uhr. Am besten ist es, nach dem Mittagessen zu schlafen. Einige schwören darauf, einen Kaffee vor dem Nickerchen zu trinken. Weil das Koffein erst nach 20 bis 30 Minuten wirkt, fühlt man sich nach dem Kurzschlaf umso wacher.
Nach 15 Uhr steigt die Leistungskurve wieder von allein an und erreicht gegen 18 Uhr ihren Höhepunkt. Nach vier Uhr solltet ihr daher keine Nickerchen mehr halten, denn dann könnte es euch schwerer fallen, abends in den erholsamen Nachtschlaf zu fallen.